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Ludwigshafen braucht eine 4. IGS

Seit einigen Jahren bin ich im Schulträgerausschuss der Stadt Ludwigshafen und fast ebenso lange diskutieren wir über eine vierte IGS in der Stadt.

Als vehemente Befürworterin dieser Schulform im Allgemeinen und in einer Stadt mit den bekannten Problemen „fehlende Ganztagsbetreuung“, „hoher Migrationsanteil“ und „kein Geld für freiwillige Aufgaben“ haben wir von der Fraktion „Grünes Forum und Piraten“ über ein Jahr hinweg Argumente zusammengetragen, Eltern und (Grund-)Schulleitungen befragt und vor diesem Hintergrund schließlich den Prüfantrag im Schulträgerausschuss gestellt, ob eine vierte IGS bewilligt werden kann. Die Ergebnisse dieses Antrags wurden in der letzten Sitzung am 25.9.2023 vorgestellt und leider kam man wieder zu dem Ergebnis, dass man die billigste Lösung nehmen muss. Sowohl die ADD als auch das Bildungsministerium vertrauen auf die Zahlen, die die Stadtverwaltung sicherlich in bester Absicht zusammengestellt hat.

Aber jedes Zahlenwerk hat seine Tücken und unterliegt der Interpretation: So wurde zwar festgestellt, dass die Anzahl der Anmeldungen an den IGSn die Anzahl der Plätze massiv übersteigt, aber die Deutung, dass die Eltern in LU ihr Kind demnach sehr gerne an eine IGS gegen würden und der damit erkennbare Elternwille wurde nicht berücksichtigt.

Bei den Anmeldungen wurde dann von der Anzahl der Kinder mit einer Gymnasialempfehlung weiter auf die Anzahl der Oberstufenschüler 10 Jahre später geschlossen. Dass die Kinder, die 2023 in die Höhere Schule gekommen sind, aber genau die Kinder sind, die in der Grundschule im Homeschooling waren und demnach die Anzahl der Gymnasialempfehlungen nicht verglichen werden kann mit einem Jahrgang ohne Corona und schon gar nicht als Grundlage einer seriösen Hochrechnung dienen darf, erschließt sich auch jemandem, der nicht Statistik studiert hat. Wir wissen schlicht nicht, wie genau sich die Homeschoolingzeit auf den Jahrgang ausgewirkt hat. Die Historiker in einigen Jahrzehnten können dazu sicher mehr sagen, aber im Moment ist der Coronaeffekt nicht kalkulierbar.

Nicht eingerechnet ist auch, dass Kinder aus dem Umland immer wieder auf eine IGS in Ludwigshafen wechseln möchten, sei es, weil sie auf dem Gymnasium nicht mehr mitkommen oder das Gymnasium überfordert ist mit einer besonderen Situation eines Kindes. Die IGSn in Ludwigshafen sind Schwerpunktschulen und in besonderem Maße ausgerichtet für Kinder mit psychischen Erkrankungen oder Autismus, oder einfach nur Lernschwierigkeiten aufgrund einer schwierigen familiären Konstellation. Und gerade diese nehmen seit Corona sehr zu. An einem Gymnasium fällt es oft schwer, einen eigenen Förderplan zu schreiben, für ein Kind in stationärer Aufnahme Aufgaben zu entwickeln oder auch nur eine Binnendifferenzierung für unterschiedliche Begabungen zu entwickeln. Für solche Situationen werden Gymnasiallehrer nach wie vor nicht ausgebildet und die einzige Binnendifferenzierung ist oft ein anderes Arbeitsblatt.

Demgegenüber sind die IGS mit Gymnasiallehrern, Realschullehrern und Förderlehrern ausgestattet (zu wenige zwar, aber immerhin), es gibt neben einer äußeren Differenzierung (Grund- oder Erweiterungskurs in einer Jahrgangsstufe) auch eine innere Differenzierung, je nachdem wird eine Klassenarbeit auf fünf Niveaustufen angeboten, um das Kind zu fordern, ohne es zu überfordern. Die Zusammenarbeit mit den Krankenhäusern oder Rehaeinrichtungen ist genauso normal, wie eine Absprache mit Integrationshelfern, pädagogischen Hilfskräften oder den Förderlehrern.

In diesem Zusammenhang ist es nicht nur verblendet, sondern geradezu zynisch, dass in dem Zahlenwerk der Stadt 280 freie Plätze an den Oberstufen der Gymnasien als Argument gegen eine vierte IGS angeführt werden. Die Kinder wechseln vom Gymnasium auf eine IGS, nicht andersherum. Und auch nach der Realschule, geht fast niemand auf ein Gymnasium, sondern die sehr guten Realschüler gehen auf eine IGS. Dort wird eine andere – nicht bessere, aber sehr unterschiedliche – Pädagogik gelebt, als auf den meisten Gymnasien, so wie auch andere Methoden eingeübt und andere Rituale ausgeführt werden.

Nicht zuletzt geht es bei der Wahl für eine IGS auch darum, den Eltern, die diese Unterschiede längst kennen, die Wahl zu lassen, wo sie ihr Kind die nächsten Jahre bilden lassen möchten und den Kindern die Wahl zu lassen, wo sie lernen möchten. Und da ist es sogar nebensächlich, dass die IGSn als Ganztagsschulen für die meisten Eltern eine große Betreuungsentlastung bieten.

Diese ganzen Argumente wurden im Schulträgerausschuss diskutiert – von allen Fraktionen und allen Parteien. Zitiert wurden in dem kurzen und nichtssagenden Artikel in der Rheinpfalz lediglich die beiden großen Fraktionen, die sehr lange gegen eine IGS waren und dem Prüfantrag nur zögerlich zugestimmt hatten. Dass die Fraktion Grünes Forum und Piraten hier seit Jahren federführend arbeitet und mit viel Herzblut die Wünsche der Eltern Ludwigshafens vertritt, wird nicht erwähnt.

Eine ausgewogene und sachliche Berichterstattung über Parteigrenzen hinweg sieht anders aus.

Ihre Sandra Schwab