Platzhirsche im Schilderwald

Ludwigshafener Rundschau vom 08.05.2024

Entlang der Straßen in der Stadt hängen Tausende Wahlplakate, die für Parteien und Kandidaten bei der Europa- und Kommunalwahl werben. Eine Obergrenze für die Materialschlacht gibt es in Ludwigshafen nicht. Die Stadt hat Regeln aufgestellt, die aber nicht immer eingehalten werden.

Von Michael Schmid

Die Rheinallee im Stadtteil Süd ist eine der Hauptverkehrsstraßen, die großflächig mit Wahlplakaten gepflastert wird. Nahezu an jedem Laternenmast hängt die Werbung der Parteien. Teils hängen fünf Plakate übereinander. Auf dem begrünten Mittelstreifen ist kaum noch ein Platz ohne Werbung zu finden. „Viel hilft viel“, scheint das Motto der Parteien bei der Plakatierung zu lauten.

Am Straßenrand hält ein Wagen und heraus steigt Wahlkämpfer Raik Dreher, der seine Plakate noch mit Aufklebern bestückt. 300 Plakate werben für den Frontmann des Grünen Forums und seinen Kollegen Heinz Zell von den Piraten. Rund 150 weitere Plakate sollen in den kommenden Wochen noch folgen. Was das Ganze kostet? „Einen vierstelligen Betrag in mittlerer Höhe“, sagt der Spitzenkandidat, der sich um ein Mandat im Stadtrat und im Ortsbeirat Süd bewirbt. Dabei gehören Forum und Piraten zu den Gruppierungen, denen im Wahlkampf nur begrenzte Mittel zur Verfügung stehen. Die beiden „Platzhirsche“ im Schilderwald sind die großen Volksparteien: Die CDU zieht nach eigenen Angaben mit rund 3000 Plakaten in den Wahlkampf, die SPD mit 2000. Angaben über die Kosten machen beide nicht.

Keine Obergrenze

In anderen Kommunen gibt es eine Obergrenze für die Anzahl der Wahlplakate, auf die sich die Parteien im Vorfeld verständigt haben. In Ludwigshafen ist dies trotz einiger Versuche nicht gelungen. Wenig verwunderlich in einer Stadt, in der Stadtratssitzungen bis zu neun Stunden dauern, weil sich die neun Fraktionen nicht auf ein Zeitlimit für die Redezeit einigen konnten. Alle Parteien, Wählergruppen oder Einzelkandidaten können daher so viele Plakate aufhängen, wie sie wollen oder sich leisten können. Allerdings darf die Wahlwerbung nicht überall hängen.

Die Stadtverwaltung macht als zuständige Straßenbaubehörde Vorgaben. So dürfen entlang einiger Straßen und Plätze keine Plakate aufgehängt werden: Das betrifft die Fußgängerzonen Bismarckstraße und Prinzregentenstraße, den Berliner Platz, den Ludwigsplatz oder den Friedrich-Wilhelm-Wagner-Platz. Ebenfalls im Innenstadtbereich sind ein Teil der Bahnhof-, der Rheinufer- und der Zollhofstraße Tabuzonen. In Friesenheim ist das Plakatieren in der Brunckstraße zwischen den Einmündungen Teichgartenweg und Rutenstraße untersagt. Vom Wahlkampf ausgenommen sind auch Parks.

Ansonsten dürfen die Plakate überall aufgehängt werden – wenn sie nicht die Verkehrssicherheit beeinträchtigen. Ampeln oder Masten mit Verkehrszeichen sollen frei bleiben im Schilderwald. Vor Kreuzungen müssen Abstände eingehalten werden. „Bei Gefahr im Verzug werden Werbeplakate sofort entfernt, da sich die Stadt ansonsten einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht schuldig macht“, heißt es in einer Mitteilung der Stadt an alle Wahlkämpfer.

Eine Regel hat in den vergangenen Tagen für Wirbel unter den Parteien gesorgt. So hat Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck (parteilos) als Wahlleiterin in dem Rundschreiben unter anderem betont: „Das Anbringen von Plakaten an Bäumen ist ausnahmslos verboten.“ Nun hat aber die SPD an Bäumen sogenannte Aufsteller benutzt – also Schilder mit Standfüßen, die vor und hinter einem Baum aufgestellt und mit Kabelbindern verbunden werden, damit sie nicht umfallen.

Es folgte ein weiteres Rundschreiben, in dem Steinruck ihre „missbilligende Haltung“ wegen Verstößen, wie das Aufhängen von Plakaten an Bäumen und das Zurücklassen von Kabelbindern, zum Ausdruck brachte. Auf Nachfrage teilte die Stadt mit, dass es Verstöße gegen die Plakatierungsregeln von mehreren Parteien gegeben habe. Eine Statistik, welche Partei dabei besonders negativ aufgefallen sei, existiere nicht.

Austausch über Bäume

SPD-Chef David Guthier spricht von einem „Austausch“ mit der Verwaltung darüber, dass es für Stellschilder und Plakate unterschiedliche Regeln gebe. Er verweist auf Werbung für den Maimarkt oder andere Veranstaltungen, die ebenfalls mit Aufstellern an Bäumen befestigt wurde. Seine Partei habe nur eine Handvoll Plakate falsch aufgehängt. Diese seien umgehend entfernt worden. Auch der Frühstart seiner Partei bei der Plakatierung – erlaubt war ab Freitag, 26. April, ab 12 Uhr – sei auf eine Panne bei dem mit dem Aufhängen beauftragten Dienstleister zurückzuführen. Dies habe aber nicht nur die SPD betroffen, auch CDU-Plakate hätten bereits Freitagmorgen gehangen. Zudem habe die Union beispielsweise am Ludwigsplatz plakatiert, was eigentlich untersagt sei.

Nach dem „Austausch“ der SPD mit der Stadtverwaltung gab’s am Montag ein weiteres OB-Rundschreiben, in dem es noch mal um die Bäume ging: „Ich möchte das Verbot zum Aufhängen von Plakaten an Bäumen konkretisieren. Bei der aktuellen Wahl wird es letztmalig gestattet sein, Plakatträger mit Füßen, die Bäume einschließen, aber nicht direkt an den Bäumen aufgehängt sind, anzubringen. Zukünftig wird jedoch auch diese Art der Plakatierung an Bäumen verboten.“ Heißt also: Die SPD hat mit ihren Aufstellern nicht gegen die Regeln verstoßen, muss aber bei der OB-Wahl 2025 wohl darauf verzichten.

Vom Nutzen überzeugt

Bleibt die Frage, was die ganze Materialschlacht überhaupt bringt? „Wir haben zehn Ortsvorsteherkandidaten, die teils neu sind. Mit den Plakaten können wir sie bekannter machen“, sagt CDU-Chef Torbjörn Kartes. Plakate seien wie Handzettel, Zeitungsannoncen oder Social-Media-Beiträge ein Baustein im Wahlkampf. „Wer keine Plakate hat, fällt negativ auf. Aber es wird auch niemand wegen eines Plakats gewählt. Der persönliche Kontakt ist sehr wichtig – es ist eben eine Mischung aus allem“, ist der CDU-Kreisvorsitzende überzeugt. Noch hängen nicht alle Plakate der Union. Sechs Wochen Wahlkampf seien lang. „Wir wollen in Wellen plakatieren“, sagt Kartes.

Auch die SPD will nicht auf Plakate verzichten. „Die Wahlplakate spielen weiterhin eine große Rolle. Das sei nicht zu unterschätzen, sagen auch die Wahlforscher“, meint Parteichef Guthier. Fest steht: Wenn die Wahlen vorbei sind, müssen die Plakate wieder weg. Ab dem 15. Tag nach der Wahl werden „überfällige“ Plakate von der Stadt entfernt – und den Parteien in Rechnung gestellt.

Quelle: Die Rheinpfalz Ludwigshafener Rundschau vom 8. Mai 2024