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Rheinpfalz: „Man muss die Leute mitnehmen“

Die Zukunft von LU (5): Mitte 2024 endet die fünfjährige Legislaturperiode im Stadtrat – noch haben die Parteien Zeit, sich zu positionieren. Mit den Fraktionsvorsitzenden stecken wir schon mal die politischen Leitplanken ab. Als Abspaltung der Grünen hat sich das Grüne Forum als politische Kraft etabliert. Das Quartett hat einige Akzente gesetzt. Doch ob es bei der Kommunalwahl antritt, ist noch offen.

Von Michael Schmid 
Der Platanenhain ist der Ort, an dem das Grüne Forum seine Wurzeln hat. Hier haben sich die Politiker im Wahlkampf 2019 an die Bäume gekettet und 1600 Unterschriften für den Erhalt des kleines Wäldchens am Fuß des Mosch-Hochhauses gesammelt. Prominente Unterstützung gab’s von der grünen Bundespolitikerin Claudia Roth. Für den auf dem benachbarten Berliner Platz geplanten „Metropol“-Hochhauskomplex wollte der Investor anstelle des Platanenhains ein Parkhaus mit 305 Stellplätzen für Autos bauen. Doch diese Pläne stießen auf so massiven Widerstand, dass der Investor von dem Parkhaus wieder Abstand nehmen musste.Stattdessen wollte er eine zweistöckige Tiefgarage unter dem Platanenhain bauen. Die knapp 60 Bäume sollten für den Bau ausgegraben und dann auf der Decke der Tiefgarage in einer Erdschicht wieder eingepflanzt werden. Doch dann meldete die „Metropol“-Projektgesellschaft Insolvenz an. Seitdem ruht der Betrieb auf der Baustelle. Der Insolvenzverwalter sucht derzeit nach einem Käufer für das Projekt.

„Das wird nichts“, ist Raik Dreher überzeugt. Der 54-Jährige war von Anfang an ein Gegner des Hochhausprojekts. Damals waren er und seine Mitstreiter noch Grüne. Doch im Wahlkampf waren sich die Grünen nicht mehr grün. Zwar fuhren alle gemeinsam bei der Kommunalwahl 2019 das bisher beste Ergebnis der Grünen in Ludwigshafen ein (16,6 Prozent). Interne Querelen und ein öffentlich ausgetragener Richtungsstreit führten jedoch nur wenige Wochen später zur Spaltung der grünen Fraktion in das Sextett „Grüne im Rat“ – mittlerweile ist Georgios Vassiliadis zur SPD gewechselt – und das Quintett „Grüne und Piraten“ mit Raik Dreher, Jens Brückner, Nesrin Akpinar, Kathrin Lamm und Pirat Heinz Zell. Die Mitglieder sind mittlerweile aus der grünen Partei ausgetreten. Seitdem nennt sich die Fraktion Grünes Forum und Piraten. Es gibt eine Doppelspitze, die aus Raik Dreher und Nesrin Akpinar besteht.

„Wir waren neu im Stadtrat und sind ins kalte Wasser gesprungen. Aber wir sind ein tolles Team geworden“, sagt die 31-Jährige. Alle seien gleichberechtigt auf Augenhöhe, die Positionen würden gemeinsam durchgesprochen. Auf Beobachter wirkt Raik Dreher wie der Frontmann: Er sitzt im Stadtrat in der ersten Reihe und ist der Sprecher der Fraktion. Doch wenn es um die Fraktion geht, dann will sich Dreher nur gemeinsam mit Akpinar dazu äußern.

„Wir sind zwar keine Mitglieder der grünen Partei mehr, aber wir haben trotzdem grüne Politik gemacht – allerdings mit Augenmaß“, sagen die beiden. Was ist dann der Unterschied zu den „richtigen“ Grünen? „Wir sind auch immer noch Grüne – das lassen wir uns nicht nehmen. Ich sehe uns als grüne Realisten. Bei den Grünen gibt es zu viel Ideologie. Man muss die Leute mitnehmen“, sagt Dreher, der früher grüner Parteivorsitzender in Ludwigshafen war.

Im Stadtrat hat das Forum keine ideologischen Scheuklappen. „Wir arbeiten auch mit den anderen Fraktionen zusammen, wie zum Beispiel mit der Linken, der FWG oder der FDP. Wir können auch Mehrheiten organisieren“, sagt Akpinar.

Dass der Stadtrat in mittlerweile neun Fraktionen aufgesplittert ist, sieht das Führungsduo des Forums eher positiv. „Die ,Kleinen’ wünschen sich die Zeiten der GroKo nicht zurück. Da wurde alles abgeblockt“, sagen die beiden. Bei den großen Projekten wie den Hochstraßen oder auch beim Haushalt der Stadt fänden sich stabile Mehrheiten. In der laufenden Legislaturperiode sei es dem Forum gelungen, wichtige Impulse im Stadtrat zu setzen. „Zum Beispiel in der Frage des Standorts für ein neues Rathaus, wo wir den Berliner Platz ins Spiel gebracht haben“, sagt Dreher. „Wir waren von Anfang an gegen das ,Metropol’. Später waren alle dagegen – als klar war, dass aus dem Projekt nichts wird“, sagt Akpinar.

Auch die umstrittene Spendenaufteilung an die Hinterbliebenen der Messerattacken in Oggersheim habe das Forum thematisiert. Natürlich sei auch die Ex-Partnerin des Täters ein Opfer – aber die Verwaltung habe die Verteilung der Spenden und die Einbeziehung der Frau nicht mit den Spendern abgesprochen. Das Forum scheue sich nicht, auch unangenehme Themen anzusprechen.

Keine Zukunft sieht die Fraktion für die Eberthalle. Die Halle entspreche nicht mehr den heutigen Anforderungen. „Wir sagen daher: Wir brauchen eine neue Halle“, sagt Akpinar. Anstatt sich zu überlegen, wie das mit einem Investor finanziert werden könne, werde die Entscheidung über die Eberthalle immer wieder verschoben und neue Gutachten würden in Auftrag gegeben. Ähnlich sei dies bei der Rathausfrage. Es dauere zu lange, bis eine Entscheidung für einen neuen Standort getroffen werde. Daher habe sich auch die Option zerschlagen, die Walzmühle für die Verwaltung zu nutzen. Bei den Wohnbauprojekten am Rheinufer Süd sei vergessen worden, den Bau von Kitas und einer Grundschule mitzudenken. „Das darf bei anderen Wohnprojekten nicht noch einmal passieren“, so Dreher.

Wie die CDU fordert auch das Forum eine ständige Kommission aus Verwaltung und den Stadtratsfraktionen, die sich mit Einsparungen im städtischen Haushalt beschäftigt. Auch dürfe die Kultur in Ludwigshafen nicht kaputtgespart werden.

Den Politikstil von Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck (SPD) sehen Dreher und Akpinar nicht unkritisch. Sie sei mit großen Zielen angetreten, die sie in der Realität nicht umgesetzt habe. Steinruck stehe sich manchmal selbst im Weg. Ihre Alleingänge seien oft spontan und nicht durchdacht. „Nach wie vor finde ich, dass Ludwigshafen eine gute OB hat – aber sie sollte sich besser beraten lassen“, sagt Dreher.

Wenn man ihm und Akpinar zuhört, zeigt sich schnell, dass die beiden eigentlich noch viele Vorschläge für die Zukunft der Stadt haben. Doch ob das Grüne Forum im kommenden Jahr bei der Kommunalwahl noch einmal antritt, lassen die beiden offen: „Wir werden nach den Sommerferien bekanntgeben, wie es weitergeht.“ Die einstigen grünen „Rebellen“ wären im Wahlkampf auf sich alleine gestellt – finanziell und personell steht keine Partei hinter ihnen. Sie müssten Unterschriften sammeln, um eine Wahlliste aufstellen zu können und die Wahlplakate und Aktionen aus eigener Tasche finanzieren. Hinzu kommt, dass die Fraktionsmitglieder berufstätig und teils noch anderweitig ehrenamtlich engagiert sind.

„Es steckt auch viel Arbeit in Kommunalpolitik“, sagen die beiden. Es sei daher offen, ob alle fünf Fraktionsmitglieder noch einmal bei der Wahl antreten wollten. „Wir wollen auch keine andere Partei oder Gruppierung werden. Wenn, dann machen wir als Grünes Forum weiter“, weist Dreher Gerüchte über eine angeblich geplante Kooperation mit der FWG zurück.

Das klingt alles nicht danach, als ob das Grüne Forum nur eine kurzzeitige Episode im Stadtrat werden könnte. Die Mitglieder wissen, wie man einen erfolgreichen Wahlkampf führt – auch wenn sie sich nicht mehr im Platanenhain anketten müssen. Die Fraktion setzt auf Kommunikationsmittel wie Podcasts oder Instagram. Und eine Wählerbasis sehen Dreher und Akpinar für ihr Forum auch.

ZUR PERSON

– Raik Dreher, 54, ist Verwaltungsjurist bei der Deutschen Rentenversicherung in Speyer und lebt im Stadtteil Süd.

– Nesrin Akpinar, 31, arbeitet im Projektmanagementbereich bei einem Unternehmen in Mannheim und lebt im Stadtteil Mitte.

 

 

Quelle

Ausgabe Die Rheinpfalz Ludwigshafener Rundschau – Nr. 118
Datum Dienstag, den 23. Mai 2023
Seite 14